"Nullpunkt – persönliche Geschichten von Kriegsgeflüchteten" am 17.10.2023 in Köln
В Кельне 17 октября 2023 года BVRE e.V. провел мероприятие "Живые истории: Точка ноль - рассказы бежавших от войны людей".
"Wir sind mit dem Volk der Ukraine, wir sind gegen Putins Terror" und "Wir sind mit dem Volk Israels, wir sind gegen den Terror der Hamas" - mit diesen Worten eröffnet Wladimir Weinberg, Geschäftsführer des BVRE e.V., die Veranstaltung "Nullpunkt – persönliche Geschichten von Kriegsgeflüchteten" im NS-Dokumentationszentrum in Köln: "Wir probieren im Rahmen des Projekts verschiedene Genres und Formate aus. In den meisten Fällen sind die Teilnehmer*innen unserer Veranstaltungen Mitarbeiter*innen verschiedener öffentlicher Organisationen, Institutionen und Aktivist*innen, aber heute lassen wir die Menschen zu Wort kommen, die sich in Deutschland erst einleben, die wegen des Krieges hierher gezogen sind. Wir glauben, dass es wichtig ist, dass ihre Gefühle, ihre Meinungen und ihre wahren Emotionen in der Ich-Perspektive gehört werden. Sich auszusprechen und einander zuzuhören - ohne Austausch werden wir einander nicht verstehen.
Die Veranstaltung beginnt mit einer musikalischen Darbietung von Vladyslav Solodovnykov und Snezhana Basalyha mit Videobegleitung durch Diana Chodyachikh. Die Performance erzählt die Geschichte der ersten Kriegstage - ein historischer Wendepunkt, der das Schicksal von Millionen von Menschen brach.
Auf die Fragen von Wladimir Weinberg hin erzählen Snezhana und Vladislav, dass sie derzeit Deutsch lernen. Untereinander sprechen sie Ukrainisch, aber in ihrer Umgebung leben hauptsächlich russischsprachige Menschen. Sie fühlen sich mit der Mehrsprachigkeit wohl und haben diesbezüglich keine Konflikte.
Anschließend kommen die vier Diskussionsteilnehmenden auf das Podium:
Alla Bugorskaja ist aus Charkiw nach Köln gekommen. Sie erzählt von den Schrecken der ersten Minuten, Stunden und Tage des Krieges: davon, wie die ganze Familie die Nächte in der überfüllten Metrostation in Charkiw verbringen musste - in der Kälte und in ständiger Angst und unter Schock: " Nach einer Woche unter der Bombardierung wird der Mensch entmenschlicht: alles, was vor der Bombardierung wichtig war, wird völlig unwichtig, alle Gefühle werden durch den Selbsterhaltungstrieb ersetzt".
"Ja", bestätigt Amine Boubaker, "eine Woche unter den Bombardierungen ist wie ein Stich in den menschlichen Körper. Es ist ein sofortiges psychisches Trauma, das Jahre braucht, um zu genesen." Amine Boubaker ist ethnischer Tunesier. Dies ist der zweite Krieg in seinem Leben. Den ersten erlebte er in Kuwait, von wo aus er als Kind in sein Heimatland Tunesien fliehen musste. "In den letzten 16 Jahren habe ich in der Ukraine gelebt. Ich war schon vollkommen zu einem Ukrainer geworden. Alles, was mir von Tunesien geblieben ist, ist mein Aussehen, das ich nicht ändern und in die neue Gesellschaft nicht integrieren kann", scherzt Amine. Der Krieg erwischte Amine in Poltawa. Nach einer Woche, die er in einem feuchten Keller verbrachte, beschloss Amine, zu seinem Bruder nach Deutschland zu fliehen: "Ich musste es für meine Kinder tun, die ein halbes Jahr vor dem Krieg ihre Mutter verloren haben". Wie durch ein Wunder verlässt die Familie Poltawa in einem völlig überfüllten Zug: "In dem überfüllten Zug öffnete sich nur eine Tür - direkt vor uns. Wir waren die einzigen, die sich in den Waggon quetschen konnten".
Die Kinder reisten in der Toilette und mussten sich jedes Mal wegdrehen, wenn jemand die Toilette benutzen wollte. Amine ist dankbar für die Gastfreundschaft in Deutschland. Der ukrainische Verein in Düsseldorf de.Perspektive e.V. hat ihn unterstützt.
Olga Dudko, Leiterin von de.Perspektive e.V., erzählt, wie die Zivilgesellschaft - viele Russischsprachige und Deutsche seit den ersten Kriegstagen ihre Hilfe anboten - mit Übersetzungen, finanzieller Unterstützung, Kleidung und allem, was sie konnten. Am Anfang wurden die Ukrainer*innen "an der Hand durch die Ämter geführt". - Keiner verstand wirklich etwas. Jetzt haben viele die Sprache gelernt und sind auf der Suche nach Arbeit. Olga beschäftigt auch Leute aus dem Kreis der Geflüchteten, die sich aktiv in der Organisation engagieren: "Wir haben in unserer Organisation noch viel zu tun. Uns war sofort klar, dass der Krieg noch lange dauern würde. Der § 24 bat eine lange Aufenthaltsdauer in Deutschland und es war sofort klar, dass der Krieg nicht schnell enden würde.
Irina Gurskaja stammt aus Pensa. Im Jahr 2014 sprach sie sich gegen die Anhänger*innen der Annexion von Krym aus. Im WhatsApp-Chat ihrer Mitbewohnerinnen und Mitbewohner führte sie aktive Diskussionen und wurde in einer totalitären Gesellschaft immer mehr ausgegrenzt. Als der Krieg ausbrach, konnte Irina nicht untätig bleiben: Zunächst half sie den Geflüchteten aus Mariupol in Pensa, dann baute sie ein Freiwilligen-Netzwerk auf, um die in Russland vertriebenen Ukrainer*innen nach Europa zu bringen - über Estland, wo es möglich war, mit Tieren ohne Unterlagen auszureisen, da viele Menschen ihre Haustiere mitbrachten: Katzen, Hunde und sogar Papageien anstelle von Koffern mit wichtigen Sachen. Eines Tages begannen die Repressionen. Zuerst schrieb man in den Farben der ukrainischen Flagge an Irinas Tür, sie sei eine "Kollaborateurin des Naziregimes". Dann wurde sie zur Polizei vorgeladen: "Dort zerrten mich zwei maskierte junge Männer in einen Bus, hielten mir den Mund zu und begannen, mich zu prügeln. Die Schläger verprügelten Irina sechs Stunden lang und warfen sie dann aus dem Bus: "Sie sagten mir, wenn ich nicht aufhöre, ukrainischen Geflüchteten zu helfen, würden sie alle meine Verwandten töten". Ein Netzwerk von Aktivist*innen organisierte für Irina ein humanitäres Visum für Polen und sie war gezwungen, selbst eine Geflüchtete zu werden. Das war nicht einfach, da sie mit einer Gehirnerschütterung flüchten musste.
Irina fühlt sich in Deutschland sicher, aber es ist sehr schwer für sie, Tag für Tag zu beobachten, wie ihr Land Verwüstung, Schmerz und Leid über die Welt bringt: "Ich erinnere mich sehr gut daran, wie Remarque seine Gefühle als Flüchtling aus dem Dritten Reich beschrieb. Ich habe ganz ähnliche Gefühle."
Organisiert wurde die Veranstaltung vom BVRE e. V. im Rahmen des Projekts "Dialoge gegen Rassismus zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts (Im Plural)", gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration und der Beauftragten gegen Rassismus.